Hessen-Depesche: Interview mit Carsten Härle zur politischen Situation, Standpunkten und Verleumdungskampagnen

Interview mit dem AfD-Fraktionsvorsitzenden in Heusenstamm

Carsten Härle (AfD): „Realpolitik heißt für mich in erster Linie Politik für die Realität der Bürger“

Samstag, 24 Juni 2017 19:49 geschrieben von  Michael Krug

Heusenstamm – Die AfD erreichte bei der Kommunalwahl 2016 in Heusenstamm ein Ergebnis von 7,2 Prozent und zog mit drei Mandatsträgern ins Stadtparlament ein. Einer der Gewählten ist Carsten Härle, der der AfD-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung vorsteht. Der Vater zweier Kinder, der mit seiner Lebensgefährtin in einer eheähnlichen Gemeinschaft zusammenlebt, geriet in letzter Zeit jedoch weniger wegen seiner kommunalpolitischen Arbeit, als vielmehr durch umstrittene Äußerungen, etwa zur deutschen Geschichte, in die Schlagzeilen. HESSEN DEPESCHE hat sich darüber mit Carsten Härle unterhalten, um ihm die Gelegenheit zu geben, Stellung zu den kritisierten Äußerungen zu nehmen. Außerdem haben wir ihn zur Arbeit der AfD vor Ort und den anstehenden Wahlen befragt.

HESSEN DEPESCHE: Herr Härle, die AfD hat bei der Kommunalwahl 2016 in Heusenstamm aus dem Stand heraus 7,2 Prozent erreicht und ist mit drei Abgeordneten in die Stadtverordnetenversammlung eingezogen. Sie sind Vorsitzender der AfD-Fraktion. Welche politischen Akzente konnten Sie seitdem im Stadtparlament setzen?

Carsten Härle: Zunächst einmal ist anzumerken, dass wir in Heusenstamm nur mit einer halben Liste (sieben statt mindestens 15 Personen) angetreten sind und dadurch unsere rund 17% Listenstimmen und die zugeteilten Sitze auf die Hälfte reduziert wurden. Man sieht hier, wie das Wahlsystem strukturell kleinere Parteien oder Bürgerbewegungen zugunsten der etablierten Parteien benachteiligt, was aus unserer Sicht langfristig korrigiert werden sollte, da es eine Verfälschung des Wählerwillens darstellt. Die etablierten Parteien rücken zusammen und haben die AfD als eine Art gemeinsamen Feind ausgemacht. Die Berührungsängste treten zutage, wenn sich Stadtverordnete anderer Parteien dafür entschuldigen, einem Argument zustimmen zu müssen, „obwohl“ es von der AfD kommt.

Dies setzt sich in der politischen Arbeit fort, wo oft abseits aller sachlichen Betrachtungen nur aus Prinzip gegen uns gestimmt wird, und das zum Teil mit grotesken Abläufen, wie folgendes Beispiel zeigt: Nachdem eine Reihe unserer Anfragen ausschließlich mündlich, aber mit umfangreichem Zahlenmaterial beantwortet wurde und sich der Bürgermeister unverständlicherweise weigerte, die gegebenen Antworten auch schriftlich zur Verfügung zu stellen, stellten wir einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung dahingehend, dass der Fragesteller die Schriftform verlangen kann. Dieser Antrag wurde gegen unsere Stimmen geschlossen abgelehnt, obwohl er im Interesse aller Stadtverordneten und Bürger war. Als die Diskussion in derselben Sitzung nochmals aufflammte, stellte die FDP einen inhaltlich fast gleichen Antrag, der dann aber mit großer Mehrheit angenommen wurde. Insofern haben wir unseren Antrag zwar nicht formell, aber inhaltlich durchgebracht, aber die Art und Weise des Verfahrens zeigt, wie bei den etablierten Parteien macht- und parteipolitische Aspekte wichtige Sachfragen vollständig überdecken können. Dies ist ein Problem, das wir auch auf höheren Ebenen, z.B. bei der Euro- oder der Migrationsfrage, beobachten konnten und das fundamental den Interessen der Bürger widerspricht.

Wie in jeder Opposition halten sich nach erfolgreichen Anträgen gezählte Erfolge auch aufgrund der oben angesprochenen Blockadepolitik in Grenzen, aber wir sehen es auch als Erfolg an, wenn wir durch Bürgerinformation erreichen, nachteilige Entscheidungen zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Zuletzt wurde z.B. die Abstimmung über eine für die Anwohner erheblich nachteilige Veränderung der Bausituation um das AWO-Gelände und Horst-Schmidt-Haus nach „Bürgerprotesten“ vom Bürgermeister vertagt, und wir gehen davon aus, dass dies zu einer Nachbesserung in den Planungen führen wird.

HESSEN DEPESCHE: Auf welchen Feldern besteht in Heusenstamm aus Sicht der AfD dringender Handlungsbedarf – und wie sehen da Ihre Vorstellungen aus?

Carsten Härle: Zum einen ist hier die Finanzpolitik zu nennen, wo teilweise versucht wird, sich zu Lasten der Bürger mit vermeintlichen Geschenken beliebt zu machen oder wo Steuergeld entgegen sachlicher Erwägungen in parteinahe Organisationen u.a. aus der Asyl- und Sozialindustrie fließt. Trotz unterdeckter Haushalte sind praktisch keine Anstrengungen festzustellen, die Kosten im Zaum zu halten. Im Gegenteil werden im großen Stil Ausgaben für freiwillige Leistungen, teure Gutachten, externe Beratungen und Bauvorhaben getätigt, bei denen man sich oft fragen muss, ob das Geld der Steuerzahler hier gut angelegt ist. Zum Jahr 2017 wurden wieder einmal Steuern gegen unsere Stimmen erhöht, die im Falle der Grundsteuer durch Umlage auf die Nebenkosten alle Mieter trifft, auch die sozial schwächsten. Begründet wurde dies damit, dass man den unterdeckten Haushalt sonst nicht durch die Aufsicht genehmigt bekäme. Man hat aber genau diese Unterdeckung durch fehlende Beschränkung der Ausgaben auf das Notwendige zuvor selbst verursacht. Diese Linie setzt sich weiter fort, wenn z.B. in 2017 ein Architekturbüro in der Stadtverordnetenversammlung überraschend ein Konzept präsentiert, wie man den Sitzungssaal und das Schloss für fast eine Millionen Euro unter Einsatz von Videoleinwänden, Kaffeebar, moderner Bestuhlung im Sinne einer angeblich bunteren, parteiübergreifenden und medial unterstützten Politik umgestalten könnte. Zum einen ist der Nutzen so einer Maßnahme für den Bürger äußert fragwürdig und zum anderen wird hier wieder ein Grundstein für weitere Steuererhöhungen gelegt. Unser Ziel ist, eine deutlich größere Transparenz, Sparsamkeit und Bürgerbeteiligung zu schaffen, so dass auf Steuererhöhungen zu Lasten aller Bürger verzichtet werden kann

Ein weiterer Punkt ist die mangelnde Informationspolitik im Rahmen der zum großen Teil grundgesetzwidrigen Einwanderungspolitik, deren Lasten letztlich bei den Städten landen. Es werden zwar Integrationsfeste finanziert, Hotels und andere Flächen zur Unterbringung (angeblich) minderjähriger oder erwachsener Migranten angemietet oder umgebaut, aber bei Anfragen zu konkreten Zahlen wird erheblich gemauert oder die Transparenz durch privatrechtliche Gestaltungen oder Umwege (z.B. Anmietung über den Kreis) deutlich erschwert. Anfragen von uns werden teilweise erst nach Monaten beantwortet, eine Schriftform verweigert und es wird mit politischem Getöse versucht, solche Anfragen als moralisch verwerflich zu diskreditieren. Demokratie lebt von Transparenz und informierten Bürgern, daher setzen wir uns bei diesem und anderen Themen für genau diese Transparenz ein, auch wenn dies bei den etablierten Parteien nicht erwünscht ist oder als Bedrohung für ihre Politik betrachtet wird.

HESSEN DEPESCHE: In Heusenstamm gibt es keinen offiziellen Ortsverband der AfD, Sie firmieren im Netz als „Bürger für Heusenstamm – Liste AfD“. Können Sie uns die näheren Hintergründe erläutern?

Carsten Härle: Nachdem ich, wie viele andere, über Jahre teilweise fassungslos zuschauen musste, wie Politik am Bürger vorbei gemacht wurde, wie gegebene Wahlversprechen und Verträge gebrochen wurden, stellte ich mir irgendwann die Frage, wie die Zukunft meine Kinder aussieht, wenn niemand den Mund aufmacht und alle nur still resignieren. Irgendwann müsste ich mich fragen lassen, warum ich nichts unternommen habe. Die Antwort hätte wohl nur „Feigheit“ oder „Faulheit“ heißen können, wenn ich es nicht wenigstens versucht hätte. Diese Verantwortung, meine Heimat in geordnetem Zustand an meine Kinder weiterzugeben zu müssen, brachte mich und andere Bürger unabhängig von Parteizugehörigkeiten dazu, aktiv zu werden. Letztlich entstand ein guter Kontakt zum AfD-Kreisvorsitzenden Dr. Rankl, der mit dem Credo „Die AfD ist eine Bürgerbewegung mit anhängender Partei“ auch eine gemischte Liste mit Parteilosen unterstützte, so dass wir unter Offenlegung dieser Tatsache in Heusenstamm angetreten sind und über den Blog „Bürger für Heusenstamm – Liste AfD“ auch Wahlkampf betrieben haben. Der Blog wird wegen guter Verbreitung weitergeführt, es gibt aber seit letztem Jahr auch eine Seite afd-heusenstamm.de, auf der wir weitere politische Informationen, aber auch Informationen zur Fraktionsarbeit veröffentlichen werden, nachdem wir feststellen mussten, dass in den etablierten Medien, wenn überhaupt, eher negativ oder tendenziös berichtet wird. Die Gründung eines AfD-Ortsverbands ist ebenfalls in Planung.

HESSEN DEPESCHE: Neben der Asylpolitik hat die AfD seit einiger Zeit das Thema „Islamismus“ sehr stark in den Vordergrund gerückt. Nun gibt es ja mit dem Heusenstammer Landtagsabgeordneten Ismail Tipi einen CDU-Politiker vor Ort, der dieses Thema besetzt hat und sich öffentlich immer wieder sehr deutlich gegen Salafismus und religiösen Extremismus wendet. Fürchten Sie nicht, dass Herr Tipi Ihnen die Butter vom Brot nimmt?

Carsten Härle: Zum einen muss hier zwischen Aussagen und Handlungen unterschieden werden. Wenn sich Herr Tipi z.B. in Worten deutlich gegen Salafismus positioniert, aber gleichzeitig mit der CDU die ungeprüfte, muslimische, in Teilen auch salafistische Masseneinwanderung nach Deutschland unterstützt und sich auf Willkommensfesten gerne mit Organisationen abbilden lässt, die diese Masseneinwanderung bewerben und fördern, dann ist hier schon die Frage zu stellen, wie ernst solche Äußerungen gemeint sind. Weiterhin wendet sich Herr Tipi sehr isoliert nur gegen das Salafismusproblem und klammert die momentan forcierte Islamisierung Deutschlands als allgemeines Problem vollständig aus. Eventuell stellt diese Islamisierung für Ihn als bekennenden Muslim aber auch gar Problem dar oder ist womöglich eine ihm genehme Entwicklung. Wo genau die Abgrenzung zwischen Islam und Islamismus verlaufen soll, bleibt zudem unklar, und diverse Islamexperten haben bereits geäußert, dass hier eine Abgrenzung mehr als schwierig ist. Ein Blick in viele muslimische Länder zeigt, dass diese Einschätzung nicht ganz unberechtigt ist. Ich gehe also einen deutlichen Schritt weiter und ergänze die Aussage des Dalai Lama, „Deutschland kann kein arabisches Land werden. Deutschland ist Deutschland“, um den Satz „Deutschland kann auch kein islamisches Land werden“.

HESSEN DEPESCHE: In der AfD gibt es einen Streit über einen „realpolitischen“ und einen „fundamentaloppositionellen“ Weg. Für welchen Weg haben Sie sich in Heusenstamm entschieden?

Carsten Härle: Realpolitik und Fundamentalposition sind aus meiner Sicht kein grundsätzlicher Widerspruch, denn es ist leider so, dass sich die aktuelle Politik bei diversen Themen wie z.B. der Einwanderungspolitik, der Euro- bzw. Bankenrettungspolitik und der Klimapolitik fundamental vom Gesetz, den Interessen und dem Willen der Bürger verabschiedet hat. Wenn sogar führende Verfassungsrechtler wie Prof. Dr. Rupert Scholz öffentlich erklären, es seien in der Flüchtlingspolitik „erhebliche Rechtsverstöße durch die Bundesregierung begangen worden“, dann ist das ein Skandal ersten Ranges, in einem Rechtsstaat eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, und gefährdet die freiheitlich demokratische Grundordnung massiv, zumal viele dieser Entscheidungen auch gegen den Willen des Souveräns getroffen wurden. Ein weiterer Punkt ist der fortschreitende Abbau der Bürger- und Freiheitsrechte, die immer stärkere Überwachung sowie die sich verstärkende Zensur und öffentliche Diskreditierung abweichender Meinungen. Noch vor wenigen Jahren gab z.B. es massive Bürgerproteste gegen die Vorratsdatenspeicherung, bis das Bundesverfassungsgesetz dieses Gesetz als grundgesetzwidrig kippte. Heute wird genau diese Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt, und der Bürger weiß angesichts der vielen weiteren Rechtsverstöße schon gar nicht mehr, auf welchen Angriff er seinen Widerstand konzentrieren soll, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu verteidigen. Solchen Entwicklungen und „erheblichen Rechtsverstößen“ kann man nur fundamentalen Widerstand entgegenstellen und darf sie nicht unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Realpolitik sanktionieren. Realpolitik heißt für mich in erster Linie Politik für die Realität der Bürger, und diese Realität wird momentan auf vielen Ebenen fundamental beeinträchtigt.

HESSEN DEPESCHE: Wäre es falsch zu sagen, dass Sie eher einer politischen Linie nahestehen, wie sie ein Björn Höcke vertritt, als den Vorstellungen von Frauke Petry oder Alice Weidel?

Carsten Härle: Die AfD tritt mit Wahlsprüchen „Mut zu Wahrheit“, „Mut zur Meinungsfreiheit“ und „Mut zu Deutschland“ auf, die, obwohl eigentlich selbstverständlich oder gar grundgesetzlich verbrieft, für viele heutzutage schon fast revolutionär klingen. Das ist insofern bedenklich, da Wahrheit, Meinungsfreiheit und Deutschland ganz wesentliche Bedingungen für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung darstellen. Ich stimme daher der Aussage Höckes, „Deutschland ist nicht verhandelbar“, zu und würde sogar noch die Worte „Wahrheit und Meinungsfreiheit sind nicht verhandelbar“ ergänzen. Genau bei den letzten beiden Werten müssen wir feststellen, dass die etablierten Medien und Parteien den Pfad der Tugend oftmals verlassen haben und nicht nur mit Falschmeldungen oder irreführenden Teilinformationen arbeiten, sondern auch noch versuchen, die Meinungsfreiheit durch Skandalisierung und teilweise sinnentstellende Teilzitate zu beschädigen, um regierungskritische Personen zu diskreditieren, wie wir das im Fall Höcke, Petry, Gedeon und vielen anderen immer wieder feststellen müssen. Da hilft es auch nichts, wenn sich die FAZ sich im Nachhinein kleinlaut wegen der Falschberichterstattung zu Höckes Dresdner Rede entschuldigt, der Schaden ist angerichtet, zumal der Richtigstellung niemals die gleiche Präsenz wie der Diffamierung eingeräumt wird.

Ein Sprichwort sagt, dass die halbe Wahrheit eine ganze Lüge sei, und das trifft leider auf viele politische Entwicklungen zu. Mit Falschmeldungen wie der Brutkastenlüge oder den erfundenen Massenvernichtungswaffen im Irak werden dem Volk ganze Wirtschaftskriege schmackhaft gemacht, die Masseneinwanderung wird ausschließlich als Bereicherung für Deutschland darstellt, während man die um Faktoren höhere Kriminalität der Zuwanderer einfach unter den Tisch fallen lässt, der Euro und die EU werden als einzig seligmachende Konzepte beworben, während die katastrophalen Nebenwirkungen in ganz Europa schöngeredet oder einfach vertuscht werden.

Zuletzt wird mit einer teilweise lächerlichen gemachten, teilweise verfälschten und in jedem Fall völlig unangemessen, auf 12 Jahre beschränkten Geschichte das ganz normale, positive Bekenntnis aller Menschen zu ihrer Heimat und Geschichte als Ganzes diskreditiert und den Deutschen mit dem Argument einer „immerwährenden Schuld“ und „immerwährenden geschichtlichen Verantwortung“ Entscheidungen aufgenötigt, die für Deutschland und ganz Europa nachteilig sind. So kann es meiner Ansicht nach nicht weitergehen. Wir sind in einer erinnerungspolitischen, moralischen und die Wahrheit mit Füßen tretenden Sackgasse, aus man nur mit der sprichwörtlichen 180-Grad-Wende herauskommt, um wieder Verhältnisse zu schaffen, die noch vor wenigen Jahrzehnten als selbstverständlich angesehen wurden.

Dies betrifft auch die eigenen Reihen. Ich reiche jedem die Hand, der sich ehrlich für die obigen Grundwerte einsetzt und befürworte die Einheit innerhalb der Partei und die Zusammenarbeit auch über Flügelgrenzen hinweg sowie mit anderen bürgerlichen Bewegungen, aber die Partei ist kein Selbstzweck sondern Mittel zum Zweck für eine neue Politik im Sinne der Bürger. Wenn also die obigen Grundwerte sowie das ebenfalls fest in der AfD verankerte Prinzip Basisdemokratie erheblich missachtet werden, indem z.B. gegen die Mehrheit der Parteibasis unter maßgeblicher Beteiligung von Frau Weidel ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke eingeleitet wird oder wie im Fall Petry im Rahmen von Listenaufstellungen mutmaßlich evtl. sogar Meineide geleistet werden und die Staatsanwaltschaft jetzt ermittelt, dann kann ich nur sagen, dass dies bei mir nicht auf Unterstützung trifft. Das Credo des „Flügels“, „Geht aufrecht!“, ist ein Leitspruch, der heute zwar hauptsächlich an die Altparteien zu richten ist, an den aber manchmal auch in den eigenen Reihen erinnert werden muss.

HESSEN DEPESCHE: Das ARD-Magazin „Kontraste“ hat Sie in die Nähe der sogenannten „Reichsbürger“ gerückt. Ähnlich hat sich der Heusenstammer SPD-Politiker Gert Kaiser geäußert, gegen den Sie deswegen Anzeige erstattet haben. Andererseits haben Sie auf Facebook einmal die Staatlichkeit der Bundesrepublik angezweifelt. Was unterscheidet Ihre Position von jener der „Reichsbürger“?

Carsten Härle: Zu ARD-Kontraste: Als AfD fordern wir eine Umkehr in der Politik des Abbaus von Personal und Ausrüstung der Polizei, was angesichts steigender Terrorattentate und schwindender öffentlicher Sicherheit dringend geboten ist. Jeder Polizist setzt sich, oft unter Einsatz seiner Gesundheit, für Recht, Ordnung und Sicherheit in unserer Heimat ein und insofern ist jeder verletzte oder, wie in Georgensgmünd, sogar ums Leben gekomme Polizist eine aufs Schwerste zu verurteilende Tragödie. In solchen Fällen muss daher, da die Polizei meist auch nur ausführendes Organ der Politik ist, auf restlose Aufklärung gedrungen werden, um solche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Manchmal ist die Politik leider zumindest Mitverursacher von Übergriffen auf die Polizei, nämlich z.B. dann, wenn aus Steuergeldern linksradikale Gruppierungen unterstützt werden, die sich regelmäßig Straßenkämpfe mit der Polizei liefern. Meiner Ansicht nach bleiben auch in Georgensgmünd – sowohl was die Berichterstattung zum Leben oder Tod des Polizisten als auch der Art und Weise des Einsatzes – durchaus kritische Fragen offen. Wenn einfache Fragen, die durch staatliche Stellen auch sachlich beantwortet werden könnten, stattdessen in absurden Diskreditierungsversuchen im Fernsehen münden, dann ist nicht auszuschließen, dass hier getroffene Hunde bellen und eine Aufklärung, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht erwünscht ist.

Zu „Reichsbürgern“: Es ist zu beobachten, dass von Medien und Altparteien mit einer zunehmenden Geschwindigkeit neue Kampfbegriffe aus dem Hut gezaubert werden. Mal sind es „Nazis in Nadelstreifen“, mal „das einzusperrende Pack“, mal Verschwörungstheoretiker, Rassisten, Menschenfeinde, Fake-News-Verbreiter, Rechtspopulisten oder als neuestes „Reichsbürger“. Ein Begriff, den weder ich noch die meisten anderen Bürger vor wenigen Monaten jemals gehört hatten und der zwar weitgehend unklar bleibt, aber in teilweise schrillen Medien-Berichten zur neuen Bedrohung der Bundesrepublik hochstilisiert wird. Die Argumentation der Medien bleibt oft unverständlich, z.B. wird behauptet, sogenannte „Reichsbürger“ seien allein schon deshalb gefährliche Verrückte, weil sie behaupten würden, dass das Deutsche Reich nicht untergegangen sei. Wer nun die politischen Meldungen verfolgt oder sich auf die Suche macht, der stößt unweigerlich auf die Webseite des Bundestages, auf der die Bundesregierung am 30.6.2015 eine Anfrage der LINKEN nach dem Status des Deutschen Reiches wie folgt beantwortet hat: „Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass das Völkerrechtssubjekt ‚Deutsches Reich‘ nicht untergegangen und die Bundesrepublik Deutschland nicht sein Rechtsnachfolger, sondern mit ihm als Völkerrechtssubjekt identisch ist.“ Insofern befremdet mich die Art der Berichterstattung in den Medien – und was auch immer die „Reichsbürger“ nun genau sind, der Glaube an den Fortbestand des Deutschen Reiches – nach neuer Lesart eine „Reichsbürgerposition“ – scheint sowohl beim Bundesverfassungsgericht als auch bei der Bundesregierung fest verankert zu sein, und ich habe mir erlaubt, auf meiner Facebook-Seite auf diesen etwas merkwürdigen Umstand hinzuweisen. Weiterhin habe ich nie ernsthaft die Staatlichkeit der Bundesrepublik angezweifelt, sondern angesichts gewisser Auflösungserscheinungen bei der Grenzsicherung, beim Staatsvolk und beim Kontrollverlust der Staatsgewalt bzgl. steigender Terroranschläge eine etwas ironisch Schlussfolgerung formuliert, die schon viele vor mir, zuletzt auch der neue US Präsident Trump gezogen hat, als er sagte: „Ein Staat ohne Grenzen ist kein Staat.“ Ich sehe es daher eher umgekehrt: Diejenigen, die die Kontrolle über die staatlichen Grenzen rechtswidrig aufgeben, diejenigen, die gegen des Willen des Staatsvolks Politik machen, und denjenigen, denen zunehmend die Kontrolle über die öffentliche Sicherheit entgleitet, sind es, die unseren Staat und das Grundgesetz nicht ernst genug nehmen. Ich dagegen möchte die staatliche Ordnung und das Grundgesetz in unserer Heimat wieder vollständig wiederhergestellt wissen und setze mich daher auch gegen alle Bestrebungen ein, die Bundesrepublik Deutschland in einem europäischen Superstaat auflösen zu wollen. Insofern sind alle diese Diskreditierungsversuche haltlos.

Zu Herrn Gert Kaiser: Herr Kaiser hat mit seiner Verleumdung, also der wissentlichen Falschbehauptung, ich würde irgendwelche „Reichsbürger“ organisieren, nicht nur eine moralisch verwerfliche sondern auch strafrechtliche relevante Tat begangen. Aus diesem Grund ermittelt der Staatsschutz im Rahmen politischer Straftaten gegen Herrn Kaiser – und Herr Kaiser hat inzwischen auch eine Unterlassungserklärung dazu unterschrieben. Wenn Leute, speziell als Vorstandsmitglied eines Ortsvereins einer Partei, der Meinung sind, sie könnten aus politischen Gründen jeden Anstand bis hin zu strafrechtlich Gesetzesbrüchen fahren lassen, dann kann ich nur feststellen, dass der moralische Kompass in der Politik verloren gegangen ist und wir hier eine deutliche Wende brauchen.

HESSEN DEPESCHE: Nun finden sich unter Ihren weiteren Facebook-Posts durchaus einige, die man dem Bereich der „Verschwörungstheorien“ zuordnen könnte, etwa wenn Sie die Vermutung äußern, dass die USA mittels sogenannter „HAARP-Waffen“ das Erdbeben in Fukushima ausgelöst haben könnten. Auch von vermeintlichen Strippenziehern wie Rothschild und Rockefeller kann man dort lesen – ein beliebter Topos der Verschwörungstheoretiker. Wäre es denn so falsch, wenn man Sie als einen solchen bezeichnet?

Carsten Härle: Zunächst einmal ist festzustellen, dass der Begriff „Verschwörungstheoretiker“ ein politischer Kampfbegriff ist, der heutzutage vielfach zur Diskreditierung von Bürgern eingesetzt wird, die unangenehme Fragen an die Regierung stellen. Man versucht hier eine Diskussion im Keim zu ersticken, indem der Fragesteller persönlich angegriffen und als unglaubwürdig hingestellt wird. Nun ist es aber leider auch eine Tatsache, dass eine Reihe ehemaliger Verschwörungstheorien sich inzwischen als wahr und als „Verschwörungspraxis“ herausgestellt haben. Zu erwähnen sind hier z.B. die „Verschwörungstheorien“, dass Saddam Hussein im Irak gar keine Massenvernichtungswaffen im behaupteten Umfang besessen hat oder der Verfassungsschutz das berühmte Celler Loch in das RAF-Gefängnis sprengte oder eine NATO-Geheimarmee namens Gladio für Attentate auf die Zivilbevölkerung verantwortlich gewesen ist. Heute wissen wir, dass all dies den Tatsachen entspricht, obwohl solche Behauptungen von Medien und Regierungen zunächst als „unglaubwürdige Verschwörungstheorien“ hingestellt wurden. Ich habe weiterhin auch nie behauptet, dass „HAARP-Waffen das Erdbeben in Fukushima ausgelöst“ hätten, sondern zunächst nur einmal darauf hingewiesen, dass es HAARP überhaupt gibt, was für manche schon eine Verschwörungstheorie darstellt, obwohl sogar die offiziellen Medien, wie der Spiegel (1996) oder das ZDF vor Jahren darüber berichteten und auch militärische Anwendungen diskutierten. Was genau der Zweck von HAARP ist, ob hier militärische, zivile oder wissenschaftliche Anwendungen im Vordergrund stehen, entzieht sich meiner Kenntnis, aber aus meiner Sicht haben die Bürger durchaus ein gutes Recht zu erfahren, welchem Zweck diese, aus Steuergeldern bezahlten, Anlagen dienen.

Zum Thema Strippenzieher: Horst Seehofer sagte einmal „Die, die gewählt sind, haben nichts zu sagen, und die etwas zu sagen haben, sind nicht gewählt“ – und man kann heute durchaus zum Schluss kommen, dass dieser Spruch zumindest einen wahren Kern hat, wenn man alleine an die Lobbyisten denkt, die zwar täglich im Bundestag ein- und ausgehen, die aber weder gewählt noch bekannt sind. Bei David Rockefeller kann ich jedem nur sein eigenes Buch „Erinnerungen eines Weltbankiers“ empfehlen, in dem er sich mit einem interessanten Satz äußert: „Einige glauben sogar, wir seien Teil einer geheimen Verschwörung, die gegen die Interessen der Vereinigten Staaten opponiere, charakterisieren meine Familie und mich als Internationalisten und werfen uns vor, wir konspirierten mit anderen auf der ganzen Welt, um eine neue ganzheitlichere globale politische und wirtschaftliche Struktur aufzubauen – eine neue Welt, wenn Sie so wollen. (…) Wenn das die Anklage ist, bekenne ich mich schuldig und ich bin stolz darauf.“ Er ist immerhin ehrlich. Dass Geld die Welt regiert, ist eine Binsenweisheit, und insofern ist es nur natürlich, dass die Superreichen als Strippenzieher in die Geschicke der Politik eingreifen. Wer würde das nicht tun, wenn er könnte? Alles andere wäre im Grunde schon selbst eine unglaubwürdige Verschwörungstheorie.

HESSEN DEPESCHE: Medienrummel gab es unlängst auch wegen Ihres Facebook-Posts, in dem sie die Vertreibung von Deutschen aus den Ostgebieten nach 1945 als „Genozid an den Deutschen“ bezeichnet haben. Der Kreisvorsitzende der AfD Offenbach-Land, Dr. Robert Rankl, hat dies gegenüber der „Hessenschau“ als ihre Privatmeinung abgetan, die nicht seine und nicht die Ansicht der Partei sei. Stört Sie der fehlende Rückhalt aus der Kreis-AfD?

Carsten Härle: Ich habe mich zu diesem Diskreditierungsversuch der Medien mit aus dem Zusammenhang gerissenen Teilzeiten sowohl über Facebook als auch über die AfD-Webseite öffentlich geäußert. Die mir im Vorfeld vom HR zugegangenen Fragen waren dermaßen auf das Fischen nach einem in den Mund gelegten „Schießbefehl“ wie bei Frau Petry ausgelegt, dass ich ein Interview vor der Kamera abgelehnt habe. Gegebenenfalls werde ich die tendenziöse Art und Weise der Fragestellung auch selbst noch einmal journalistisch aufbereiten und auf der AfD-Webseite veröffentlichen. Dass sich bei hunderten von Artikeln ca. 5% auch mit weitgehend unbekannten oder in Vergessenheit geratenen Tatsachen zur Vor- und Nachkriegsgeschichte befassen, wie z.B. der Vertreibung, halte ich für eine wichtigen Aspekt, denn zum einen sind sie Teil unserer Geschichte, die Zeitzeugen sind unsere Eltern oder Großeltern und der Anstand gebietet es, sich auch an dieses Leid zu erinnern. Würden die Medien ihren Auftrag zur wahrheitsgemäßen, und das heißt auch vollständigen Information, wahrnehmen, wären diese Tatsachen nicht so unbekannt und würden bei weitem nicht so einen Aufschrei erzeugen, zumal ähnliche Aussagen von anerkannten Politikern wie Konrad Adenauer vor Jahrzehnten in öffentlichen Reden ebenfalls getätigt wurden. Wir können nicht bei jedem Regierungswechsel die Geschichtsbücher den politischen Wünschen anpassen, denn historische Tatsachen stehen einfach für sich.

Die AfD-Mitglieder haben im AfD-Grundsatzprogramm beschlossen, die einseitige Geschichtsbetrachtung zugunsten einer erweiterten Geschichtsbetrachtung mit allen Aspekten der deutschen Geschichte aufzubrechen – und ich sehe daher gelegentliche Anmerkungen zu diesen Themen als Teil des politischen Auftrags der AfD und als vollständig durch das Parteiprogramm gedeckt. Wir wollen eine wahrheitsgemäße und vollständige Geschichtsschreibung – und wir wollen diese Geschichte annehmen, mit allen positiven wie negativen Aspekten, nicht mehr, aber auch nicht weniger, denn ein Volk, dass keine Vergangenheit hat, hat auch keine Zukunft. Es ist durchaus festzustellen, dass gerade bei solchen Themen, auch wenn sie nur eine Minderheit ausmachen, vielerlei Bedenken bestehen, ob und wann man diese äußern sollte. Ich aber frage, wann denn, wenn nicht jetzt, soll die Meinungsfreiheit wiederhergestellt werden, wo doch droht, dass wir bereits in wenigen Jahren zur Minderheit im eigenen Land werden? Trotz mancher Angriffe kann ich aber sagen, dass die Mehrheit der Rückmeldungen positiv ist, und mir Bürger sagen, dass sie meine Ansichten teilen, sich aber nicht trauen, so etwas öffentlich zu sagen. Genau hier sehe ich sehe aber ich ein großes Problem: Wenn nämlich Bürger sich nicht mehr trauen, ihr grundgesetzlich garantiertes Recht auf Meinungsfreiheit und politische Meinung wahrzunehmen, weil sie Angst vor beruflicher oder gesellschaftlicher Diskriminierung haben, dann haben wir bereits eine schwerwiegende Beeinträchtigung genau dieser Grundrechte, der dringend abgeholfen werden muss.

HESSEN DEPESCHE: Ende 2018 stehen Landtagswahlen in Hessen an. Nach derzeitigem Umfragestand dürfte die AfD ins Wiesbadener Parlament einziehen. Streben Sie selbst ein Engagement auf Landesebene an?

Carsten Härle: Zunächst gelten unsere Kräfte der kommenden Bundestagswahl. Danach ist die weitere Entwicklung der AfD abzuwarten, die sich durchaus in sehr verschiedene Richtungen entwickeln kann. Ich für meinen Teil werden meinen politischen Prinzipien treu bleiben und versuchen, nach Kräften Entwicklungen in und außerhalb der AfD entgegenzutreten, die dem Amtseid widersprechen, den die etablierten Politiker zwar schwören, aber zunehmend nicht mehr ernst zu nehmen scheinen. Das Ziel ist eine sozialere, wahrhaftigere und gerechtere Politik im Interesse des Souveräns und für Deutschland. Welche Aufgaben in diesem Rahmen auf mich zukommen, werden die nächsten Monate ergeben.

HESSEN DEPESCHE: Sie sprachen es gerade an: Im September dieses Jahres wird ein neuer Bundestag gewählt. Abschließend daher die Frage: Welche Aktivitäten werden Sie vor Ort in Heusenstamm entfalten, um die AfD im Bundestagswahlkampf zu unterstützen?

Carsten Härle: Wir werden, wie schon bei der Kommunalwahl 2016, neben Flyer- und Plakataktionen natürlich wieder Wahlstände machen sowie Bürgerinformationsveranstaltungen organisieren. Daneben sind Bürger herzlich eingeladen, über die Webseiten oder persönlich Fragen zu stellen oder mit uns in Kontakt zu treten, um sich über politische Positionen oder unsere parlamentarische Arbeit zu informieren.

HESSEN DEPESCHE: Herr Härle, wir danken Ihnen für das Gespräch.


Zur Person: Carsten Härle wurde 1969 geboren und lebt heute mit seiner vierköpfigen Familie in Heusenstamm. Seit dem Abschluss seines Mathematik- und Informatikstudiums mit Mathematik-Diplom ist er als Unternehmensberater für verschiedene Beratungsgesellschaften und Unternehmen im IT-Bereich und in der Softwareentwicklung tätig. Sein politisches Engagement nahm er mit der Kommunalwahl 2016 auf und ist seitdem Fraktionsvorsitzender der AfD-Fraktion in Heusenstamm.

Quelle: https://www.hessen-depesche.de/interview/carsten-h%C3%A4rle-afd-%E2%80%9Erealpolitik-hei%C3%9Ft-f%C3%BCr-mich-in-erster-linie-politik-f%C3%BCr-die-realit%C3%A4t-der-b%C3%BCrger%E2%80%9C.html